Individualreise nach Indien. Empire im Himalaya. Himalaya Bergpanorama

Very british! Ein Stück Empire im Himalaya

Gastbeitrag von Henrik

In den vergangenen Jahrhunderten hatten verschiedenste europäische Nationen die Idee, Indien zu helfen, indem sie vor Ort Handelsstationen eröffnen und sich selbst an die Spitze des örtlichen Gesellschaftssystems setzen. Eine Idee, der die ansässige Bevölkerung meist nicht folgen konnte. Doch Niederländer, Portugiesen, Franzosen – selbst Dänen – hatten die besseren Argumente: Gewehre und Kanonen. Also beglückten die letzten von ihnen den Subkontinent bis in die 1950er-Jahre mit ihrer Anwesenheit und den dazugehörigen Errungenschaften. Den prägendsten Stempel drückten dabei ganz gewiss die Briten dem Land auf. Sei es im Verkehr, in der Sprache, der Gesetzgebung oder der Bürokratie: Albion ist fast immer gegenwärtig.

Bis heute hat sich Indien nicht von den Folgen der Fremdherrschaft erholen können und ringt um einen prominenten Platz in der Weltordnung. Doch zumindest uns Reisenden bieten die Hinterlassenschaften der Europäer oft spannende, manchmal kuriose, Eindrücke in einem sowie schon facettenreichen Land. Einer davon liegt ganz im Norden des Subkontinents auf 2.100 Metern Höhe: Shimla, die kleine Hauptstadt Himachal Pradeshs und ehemalige Sommerhauptstadt Britisch-Indiens.
Schon die Anreise ist eine Attraktion: Mit der als Welterbe anerkannten Schmalspurbahn geht es über 96,5 Strecken- und 1,4 Höhenkilometer langsam – wirklich langsam – aufwärts. In fast sechs Stunden Fahrt überquert man 864 Brücken, durchfährt 102 Tunnels und 919 Kurven und hält an 18 Stationen, während an den Fenstern Alltagsszenen und Fotopanoramen in endloser Abfolge vorbeiziehen. Oben angekommen erwartet einen – eine britische Kleinstadt des 19. Jahrhunderts.
Ob Christ Church, Musikpavillon, Postamt, Gaiety Theater oder die vielen alten Hotels, die ganze Oberstadt präsentiert entlang von „Mall“ und „Ridge“ einen für Indien so einmaligen Architekturmix im historisierenden Tudorstil, dass man sich manchmal die Augen reiben muss, um sich zu vergegenwärtigen, wo man sich befindet. Apropos Gaiety Theater: Ein Besuch des von Laiendarstellern bespielten Hauses lohnt unbedingt. Auch ohne Hindi-Kenntnisse, fühlt man sich in den kleinen Logen vom ersten Akt an wohl und wird beinahe wie ein Staatsgast behandelt… Aber Vorsicht: Auch in den Wintermonaten, wenn in Shimla durchaus Schnee liegen kann, werden die Räumlichkeiten nicht beheizt! Die dicke Jacke also lieber nicht an der Garderobe abgeben.

Nach einer launigen Vorstellung und einer erholsamen Nacht warten am zweiten Tag eines Aufenthalts spannende Kontraste in direkter Nachbarschaft. Doch losgehen soll es wieder auf die Britische Art: Hierfür bietet sich kaum ein Ort in Shimla besser an, als das Indian Coffee House. Hier servieren Kellner in weißen Uniformen Tee oder Kaffee zum zweiten Frühstück und lassen einen noch ein wenig besser gelaunt und erwartungsfroh in den neuen Tag starten.


Vom Coffee House sind es dann nur wenige Schritte in eine völlig andere Welt. Keine fünf Minuten nach der gepflegten Tasse Earl Grey findet man sich im „richtigen“ Indien – dem Lower Bazar – wieder. Der „indische“ Teil der Stadt – der Besuch der Oberstadt war den Einheimischen bis zum Ende des 2. Weltkriegs nicht gestattet – erwartet einen mit beinahe schon vergessenen Trubel und steht mit seiner Geschäftigkeit im krassen Widerspruch zum langsamen Treiben auf Mall und Ridge. Die kleinen Gassen und Winkel laden zum Staunen, Feilschen und dem Erwerb von Mitbringseln ein. Ob Götterfiguren, feines Tuch aus Yakwolle oder Lederwaren – hier findet jeder sein persönliches Lieblingsstück. Und auch kulinarisch hat der Basar einiges zu bieten. Durch die vielen Exilanten-Tibeter hebt sich das Angebot von anderen indische Regionen ab und man kann ausgiebig von köstlichen Teigspeisen wie Momo und Co. kosten. Zurück auf der Mall wartet nach einer Viertelstunde Fußweg, vorbei an baufälligen, kolonialen Chalets, das prachtvollste Gebäude der Stadt: die Viceregal Lodge.

Die heute offiziell Rashtrapati Niwas genannte Sommerresidenz der britischen Vizekönige liegt in den Observatory Hills und war Schauplatz verschiedener historischer Ereignisse. In den Räumen und im gepflegten, weitläufigen Garten kann man gerade im Sommer nachempfinden, warum die komplette britische Regierung von 1834 bis 1903 (dem Jahr der Fertigstellung des Toy Trains) Jahr für Jahr in den heißen Monaten den beschwerlichen Weg von Neu-Delhi nach Shimla auf sich nahm. Es muss ein gleichzeitig beeindruckender wie bizarrer Anblick gewesen sein, wenn die endlose Karawane aus Beamten und Trägern, samt Akten und Gepäck, die Berghänge hinaufzog, um der Hitze zu entfliehen. Der letzte Vizekönig der schlussendlich den umgekehrten Weg nahm, war übrigens Louis Mountbatten, 1. Earl Mountbatten of Burma, der unter anderem hier über die Teilung Indiens verhandelte. Ihm und dieser Geschichte wurde im Film „Der Stern von Indien“ ein cineastisches Denkmal gesetzt.

Den Abschluss des zweiten Tages im Schaufenster des alten Britanniens soll dann aber doch wieder daran erinnern, in welchem Land wir uns eigentlich befinden: Am Fuße der riesigen Hanuman-Statue, am höchsten Punkt der Stadt, erwartet einen am Jakhu-Tempel. Neben einem fantastischen Ausblick, macht sich hier eine Bande diebischer kleiner Affen einen Spaß aus dem Diebstahl von Brille & Co. der Wanderer. Vorsicht ist also geboten! Um diese letzten Eindrücke reicher, geht es zurück ins Hotel und am kommenden Tag mit dem Pkw zum nächsten Etappenziel, das wieder seine ganz eigenen – dann vielleicht wieder „very Indian“ – Geschichten zu erzählen weiß.

Henrik von Atambo Tours Bochum

Ihr habt Lust auf Shimla bekommen? Im Rahmen einer Nordindien-Reise, beispielsweise mit Stationen in Agra, Amritsar, Delhi, Jaipur und Chandigrah – der Stadt Le Corbusieres – bietet der Ort einen spannenden Kontrast zum oft hektischen indischen Treiben.

Beitrag verfasst von Henrik. Und hier geht es zum Asienspezialisten Atambo Tours Bochum.

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