Unperfekte Schönheit oder was man von Wabi-Sabi lernen kann
Perfect, perfect, perfect: Manchmal habe ich die Schnauze voll vom ewigen Streben nach Perfektion. Symmetrie ist schön, ja. Makellosigkeit und Perfektion sind schön, na klar. Aber Unvollkommenheit auch. Nicht die offenkundige Schönheit ist das Höchste, sondern die verhüllte.
Wenn wir über Design reden, geht es oftmals um Makellosigkeit und Symmetrie. Dabei verkennen wir oft die Schönheit von Asymmetrie und Natürlichkeit, die organischen Formen und ursprünglichen Dingen anhaftet. Beim Wabi-Sabi werden Unvollkommenheiten nicht mehr wegpoliert. Der französische Designer Frédérick Gautier hat diese Philosophie mit seinen ‚Urbanistic Ceramics’ auf die Spitze getrieben: Die Textur und die Unebenheiten des Materials werden betont und auf jegliche Form von Verschönerung verzichtet.
Ist es also falsch, nach Schönheit zu streben? Ich glaube nicht. Schönheit macht Menschen glücklich, und etwas Schönes zu erschaffen ist ein Weg, Gutes in die Welt zu bringen. Es ist eine Tat, die voller Optimismus einfach zeigt: das Leben lohnt sich.
Wenn ich die Gelegenheit habe, etwas zu verschönern, bin ich oft ganz erfüllt von dem Ergebnis. Ich habe schon solch freudestrahlende Gesichter gesehen, wenn es mir gelungen ist, ein Zimmer so richtig toll einzurichten. In dem jemand sich wohl und zuhause fühlt. Ich strebe also nach Schönheit. Aber nicht nach Perfektion. Nach Verbesserung. Aber nicht mit Verbissenheit.
Bei all der Perfektion, nach der so viele streben, macht mich die Philosophie, die hinter Wabi-Sabi steckt, glücklich. Denn es geht bei Wabi-Sabi gar nicht nur um Design. Es geht bei Perfektion längst auch um unseren Beruf, unser Gesicht, unseren Körper, unser Leben. Perfektion kann ganz schön anstrengend sein: Es wird immer jemanden geben, der geschickter, klüger und schöner ist, glücklicher, gesünder und reicher. Mit Wabi-Sabi hänge ich die Optimierung ganz bewusst an den Nagel. Und gestatte mir, die Schönheit in den unperfekten Dingen zu erkennen.