Homestory: Wohnen in der Kunstgalerie, Arbeitszimmer

Homestory | Wohnen in der Kunstgalerie

Als ich das erste Mal bei Hedwig und Johann Döbele zu Hause war, wusste ich gar nicht, dass es auch Ihre Privatwohnung ist. Denn eigentlich war ich zu ihnen in die Mannheimer Leibnizstraße gekommen, um mir die Ausstellung THE FINISHING von Mona Pourebrahim und Hamidreza Yaraghchi anzusehen. Als ich dann Bescheid wusste, musste ich den 80-jährigen Hausherrn sofort um ein Interview bitten um herauszufinden, ob er nun eine Kunstausstellung in der Wohnung hat oder ob er in einer Ausstellung wohnt. Diese Mannheimer Kunstgalerie ist beides zugleich.

Ist Ihre Wohnung immer so ordentlich wie heute, weil sie ständig mit kunstinteressierten Kunden rechnen müssen?

(lacht) Das ist Fluch und Segen gleichzeitig. Kurz bevor Sie heute Morgen kamen, habe ich noch angefangen, den Küchenboden zu putzen. Ich bin aber nicht fertig geworden. Wir können hier aber ganz normal leben; unsere Gäste kündigen sich an, und dann ist bei uns schon alles aufgeräumt. Wir haben unser Schaudepot in der Richard-Wagner-Straße, in dem Kunst mehr als Entdeckung gezeigt wird. Hier in der Leibnizstraße zeigen wir die Dinge, die uns persönlich mehr am Herzen liegen.

Das sind neben den Bildern aber sicher auch einige Möbelstücke, wie zum Beispiel Ihr außergewöhlich schöner Esstisch. Woher haben Sie dieses Schätzchen?

Der blaue Lapislazuli-Tisch begleitet uns schon sei 1985. So was bekommt man heute nicht mehr. Der wurde von der Firma Draenert am Bodensee angefertigt. Dann haben wir noch einen Teil der Grafikschränke behalten, die im Arbeitszimmer stehen. Ansonsten haben wir keine großartige Einrichtung. Das Schlafzimmer ist nicht vorführbar, das ist gleichzeitig ein temporäres Bilderlager.

Der Lapislazuli-Tisch im Esszimmer, im Hintergrund ein Bild von Hamidreza Yaraghchi.

Stimmt, Ihre Wohnung ist sehr spartanisch eingerichtet. Ich suche gerade das Plätzchen, an dem die Familie am Abend sitzt, sich auf dem Sofa einkuschelt, fernsieht und Chips isst. Aber so wohnen sie ja nicht.

Wir haben keinen Fernseher. Ich habe aber einen PC, wenn ich Nachrichten oder auch mal eine Film anschauen möchte.

Befindet sich das Wohnzimmer auch hinter verschlossenen Türen?

Wir haben keines, und ein Sofa auch nicht. Wir hatten mal ein riesengroßes in Ravensburg, aber das existiert nicht mehr, das haben die Enkelkinder zerpflückt.

Sie sind die einzigen Menschen, die ich kenne, die kein Sofa besitzen! Ich stelle mir vor, Sie und Ihre Frau springen morgens aus dem Bett, und dann sind Sie hier aktiv, bis Sie abends ins Bett gehen.

(lacht) So ist es.

Woher kommen eigentlich die Kunstinteressierten, die ganz privat zu Ihnen nach Hause kommen?

Die kommen aus dem ganzen D A C H – Raum, stark an der Rheinschiene entlang und aus Berlin.

Haben die Berliner nicht selbst sehr viele Kunstgalerien?

In der Kunst ist das anders als bei den Dingen des täglichen Bedarfs. Kunst ist etwas sehr Freies, da spielt es überhaupt keine Rolle, ob sich das, was ich suche, in Berlin, Mannheim, München oder sonstwo befindet. Die Menschen kommen nicht zu uns, weil es die große Schau ist, sondern weil sie etwas finden möchten, das sie persönlich betrifft.

Und was hat Sie ausgerechnet nach Mannheim gezogen?

Eine unserer Töchter lebt hier, die uns zwei Enkelkinder beschert hat. Diese Enkelkinder sind ein wahnsinniger Magnet.

Wenn die Künstler wechseln, leben Sie dann mit nackten Wänden?

Ja, aber das dauert nie sehr lange.

Wie ändert sich die Atmosphäre in der Wohnung, je nachdem, welchen Künstler Sie hier ausstellen?

Mit jeder neuen Präsentation ändert sich die Atmosphäre der Wohnung total. Das ist es auch, worauf wir uns einstellen müssen. Die Kunst ist etwas, was wir bei uns im Wohnbereich beurteilen. Wenn wir uns darin nicht wohlfühlen, müssen wir das erste Fragezeichen setzen. Fühlen wir uns aber wohl, dann heißt es meistens, die Kunst ist sehr gut.

Ist Kunst so sehr Gefühlssache?

Ja, auch. Trotzdem bemühen wir uns immer, die Kunst auch intellektuell klar zu definieren. Kunst ist nicht nur Gefühl, sie ist auch Wissen. Je mehr Sie über Kunst wissen, um so besser wird sie.

Aktuell leben Sie mit den Gemälden von Mona Pourebrahim und Hamidreza Yaraghchi. Wer kauft diese außergewöhlichen Bilder?

Die Kunst von Herrn Yaraghchi und Frau Pourebrahim reiht sich an einem Neubeginn des Sehens auf. Wir werden aus dieser Ausstellung kaum etwas verkaufen, zumindest nicht jetzt in der Anfangszeit. Diese Kunst müssen wir noch aufschließen, auch für mögliche Kunden, die zwar das Gefühl haben, da tut sich etwas, es aber nicht benennen können. Wir haben Kunst, die das Innere des Menschen bewegt und nicht das Äußere.

Also, die Bilder von Mona Pourebrahim könnte ich mir schon gut in meiner Wohnung vorstellen …

Die Bilder sind natürlich schon sehr kontemplativ. Das sind Betrachtungsbilder, das kann man sich eine halbe Stunde lang anschauen und es wird nicht langweilig, obwohl nichts darauf ist. Das ist der Beginn einer Verwandtschaft. Das Gegenteil ist bei Yaraghchi der Fall, die Bilder sind auf den ersten Blick schockierend.

Das fand ich auch.

Aber in diesem Schockierenden passiert so viel an Malkunst. Er ist ein unwahrscheinlich talentierter Maler, der viele Dinge neu überlegt hat, um sie in der Malerei sichtbar zu machen.

Vielen Dank für das erhellende Interview, lieber Herr Döbele!

Kontakt zu Döbele Kunst Mannheim und der gerade aktuellen Ausstellung findet Ihr auf www.doebele-kunst.de

„Um Sieben“ von Mona Pourebrahim hängt derzeit im Flur.

Ein Kommentar

  • Alex Finsterbusch

    Vielen Dank für dieses interessante Interview! Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Kunstwerke wie die von Mona Pourebrahim und Hamidreza Yaraghchi einen tiefen Eindruck hinterlassen können. Meine Schwester hat vor einiger Zeit ein Gemälde bei einem Malereifachbetrieb in Auftrag gegeben, das ihr sehr am Herzen liegt. Auch wenn Kunstwerke wie diese nicht immer sofort verstanden oder gekauft werden, bin ich froh, dass es Menschen wie Hedwig und Johann Döbele gibt, die die Bedeutung und Schönheit solcher Kunstwerke erkennen und dafür sorgen, dass sie weiterhin geschätzt werden.

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